Bundesrat im GrenzbereichRösti wirft sich für die Genfer SVP in die Wahlkampfarena
Die SVP kämpft in Genf um den Verbleib im Parlament. Kurz vor dem Tag der Wahrheit setzt die Partei ihre Bundesräte als Wahlkampflokomotiven ein und ritzt damit den Verhaltenskodex der Landesregierung.

Die Bundesratssitzung vom Freitag sollte nicht zu lange dauern. Darauf müssen die SVP-Bundesräte Albert Rösti und Guy Parmelin hoffen. Auch Medienauftritte nach der Sitzung kämen ihnen höchst ungelegen. Sie sollten nämlich möglichst rasch nach Genf reisen. Für Punkt 17.30 Uhr sind die beiden in der Genfer Innenstadt, auf dem Place du Molard, angekündigt. Die SVP hat ganz Genf eingeladen, ihre Bundesräte zu treffen und auch mit ihrem Präsidenten Marco Chiesa und den Nationalräten Céline Amaudruz und Marcel Dettling zu plaudern.
Rösti und Parmelin sind Teil der Wahlmaschinerie, die die SVP an diesem Wochenende in Genf anwirft. Nach der Plauderstunde am Freitag werden die Bundesräte am Samstag an der SVP-Delegiertenversammlung in Meyrin auftreten. Dass die SVP ihre wichtigsten Vertreter just in diesen Tagen nach Genf beordert, hat natürlich einen tieferliegenden Grund. Am 2. April sind kantonale Wahlen. Genf ist gerade für die SVP ein schwieriges Pflaster. Ihre Wähleranteile sinken seit Jahren und erreichten zuletzt historische Tiefststände. Bei den letzten kantonalen Wahlen im Jahr 2018 lagen die Anteile noch bei 7,3 Prozent, bei den nationalen Wahlen 2019 bei 13,7 Prozent. Gerät die SVP beim anstehenden Genfer Urnengang unter die 7-Prozent-Marke, fliegt sie aus dem Kantonsrat. Auf einen Sitz in der Regierung hat sie keine Chance.
«Finden solche Veranstaltungen weniger als zwei Monate vor kantonalen Wahlen oder Abstimmungen statt, so dürfen die Mitglieder des Bundesrates das Wort nur zu eidgenössischen Abstimmungsvorlagen ergreifen.»
Dass Parteien Bundesräte als Wahlkampflokomotiven einsetzen, ist in der Schweizer selten. Und das mit gutem Grund: Die primäre Aufgabe von Bundesräten ist nicht, Parteipolitik zu betreiben. Das hält auch der Verhaltenskodex des Bundesrats so fest. Dort steht: «Den Mitgliedern des Bundesrates ist es freigestellt, an kantonalen oder regionalen Veranstaltungen der eigenen Partei teilzunehmen. Finden solche Veranstaltungen weniger als zwei Monate vor kantonalen Wahlen oder Abstimmungen statt, so dürfen die Mitglieder des Bundesrates das Wort nur zu eidgenössischen Abstimmungsvorlagen ergreifen.» Aufseiten der SVP interpretiert man diesen Kodex offenbar ziemlich offen. Das beobachtet auch der Genfer Politologieprofessor Pascal Sciarini. Ihm ist vor allem der Wahlkampf mit und für Christoph Blocher beim nationalen Wahlkampf im Jahr 2007 in Erinnerung geblieben. Die SVP warb damals mit dem Slogan: «Blocher stärken! SVP wählen!»
«Der Auftritt von Rösti und Parmelin kann der SVP Genf helfen, Wählerinnen und Wähler kurz vor den Wahlen zu mobilisieren.»
Bundesräte für Wahlkämpfe einzuspannen, könne durchaus funktionieren, gerade auch in Genf, sagt Politologe Sciarini. Parmelin und Rösti seien national bekannte Figuren, gäben der Partei Visibilität und Aufmerksamkeit. Das sei wiederum ein Vorteil im Wahlduell mit dem Mouvement Citoyens Genevois (MCG). Die Bewegung ist die härteste Konkurrentin der SVP. Sie sei keine nationale Partei, sagt Sciarini, und befinde sich ebenfalls in einer negativen Dynamik. Der Auftritt von Rösti und Parmelin könne helfen, Wählerinnen und Wähler kurz vor den Wahlen zu mobilisieren.
«Jeder Partei nützt grundsätzlich alles, wo sie von sich reden macht.»
Ein anonymes linkes Komitee hat diese Woche angekündigt, die SVP-Wahlmaschinerie in Genf stören zu wollen. Das Komitee ruft am Samstagnachmittag im Anschluss an die DV in einem Park in Bahnhofsnähe zu einer Kundgebung auf. Befürchtet wird, dass es rund um den Anlass zu Ausschreitungen und Sachbeschädigungen kommen könnte. Die Gruppierung kritisiert die SVP jedenfalls scharf. Sie schreibt: «Die SVP gibt vor, die Partei des Volkes zu sein, aber verachtet alles, was nicht schweizerisch, weiss und männlich ist und der Mittel- und Oberschicht angehört.» In Genf habe man eine andere Kultur, und darum sei die DV auf Genfer Boden «eine Provokation».
Pascal Sciarini sagt: «Werden bei der Protestkundgebung Grenzen überschritten, kann sich die SVP als Opfer inszenieren.» Auch Nenad Stojanovic, Politologieprofessor der Uni Genf, glaubt, dass die Kundgebung der SVP nur schon darum dient, weil «jeder Partei grundsätzlich alles nützt, wo sie von sich reden machen kann.»
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