Stichtag Ende Juni Russlands Pleite ist jetzt ein mögliches Szenario
Moskau droht der Zahlungsausfall, obwohl das Land seine Verbindlichkeiten bedienen will und kann. Woran das liegt.

Es wäre eine ungewöhnliche Pleite: Russland könnte Ende des Monats in die Zahlungsunfähigkeit schlittern, obwohl das sanktionierte Land genügend Reserven hätte, seine Euro- und Dollar-Schulden zu bezahlen. Bislang gingen die Zins- und Tilgungszahlungen immer durch – eine zeitlich befristete Ausnahme des US-Finanzministeriums machte es möglich. Bis zum 25. Mai um Mitternacht war es den amerikanischen Banken erlaubt, entsprechende Zahlungen der russischen Zentralbank durchzuleiten – aber nur zur Bedienung der russischen Staatsschulden. Doch die zuständige Behörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) hat diese Frist nun auslaufen lassen. Das bedeutet: Das Geld Russlands erreicht die Anleihegläubiger nicht mehr.
Die internationale Gemeinschaft hat klare Regeln aufgestellt, wann ein Staat zahlungsunfähig ist. Grundsätzlich werden dem säumigen Schuldner 30 Tage Frist eingeräumt, das Geld nachzureichen. Diese Frist läuft nun für eine russische Anleihe, deren fällige Zinsen die russische Zentralbank am 27. Mai angewiesen hat. Wenn US-Banken das Geld nicht durchleiten, gehen die Anleihegläubiger leer aus. Bleibt es dabei, ist Russland nach Ende der 30-Tages-Frist Ende Juni zahlungsunfähig. Eigentlich.
Einer der am wenigsten verschuldeten Staaten
Doch es ist gut möglich, dass hier das letzte Wort nicht gesprochen ist. Russland, davon gehen US-Fachleute aus, werde die «Pleite» nicht einfach hinnehmen und dagegen vor ein US-Gericht ziehen. Ein Land, das zahlungsunfähig ist, gilt als nicht kreditwürdig. Das Argument: Man habe das fällige Geld ja angewiesen – wenn es vom US-Bankensystem nicht durchgeleitet werde, so sei das nicht Russlands Fehler. Ein solcher Prozess könne sehr lange dauern und die Entscheidung, ob Russland zahlungsunfähig ist oder nicht, lange hinauszögern.
Laut Prospekt könnten Anleihegläubiger, die zusammen 25 Prozent der ausstehenden Bonds halten, selbst den Zahlungsausfall feststellen. Das ist auch noch bis zu drei Jahre nach dem Zahlungstermin möglich. «Ich gehe davon aus, dass die Anleihegläubiger im Laufe der Zeit zunächst einen Zahlungsausfall melden und dann rechtliche Schritte einleiten werden, um ihre Ansprüche festzustellen», sagte Dennis Hranitzky von der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Fehler gefunden?Jetzt melden.