Zürcher ObergerichtMann nach Schiessunfall in Kyburg verurteilt
Ein Mann wurde wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt: Er bewahrte eine Pistole in einem unverschlossenen Schrank auf – der Sohn seiner Partnerin nahm sie und verletzte einen Kollegen.

Das Zürcher Obergericht hat einen Mann nach einem Schiessunfall wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt: Dieser hatte zwar nicht selber abgedrückt – doch hatte er die Pistole in seinem Haus in Kyburg so gelagert, dass der Sohn seiner Partnerin problemlos auf sie zugreifen konnte.
In der Urteilsbegründung sprach der vorsitzende Oberrichter von einer gleich doppelten Sorgfaltspflichtverletzung. Einerseits habe der Mann den Schrank mit einer Pistole nicht abgeschlossen, andererseits habe er die Munition nicht getrennt von ihr aufbewahrt.
Damit habe der 52-Jährige ein Risiko geschaffen, hielt der Oberrichter am Ende der Verhandlung am Mittwochmittag fest. Dieses Risiko hätte er durch zumutbare Schutzmassnahmen entschärfen und damit den Schiessunfall vermeiden können.
Pistole im Alkoholschrank
Der Mann besass legal mehrere Waffen, die er im Keller des Einfamilienhauses in abschliessbaren Schränken aufbewahrte. Ausnahmsweise deponierte er aber eine Selbstladepistole in einem als Alkoholschrank genutzten Tresor im Gästezimmer.
So lag diese Pistole – untergeladen mit einer Manipulierpatrone im Lauf und mit einem Magazin mit sieben Patronen bestückt – an einem Abend im Oktober 2015 hinter ein paar Flaschen Hochprozentigem. Während der Waffenbesitzer sich im Ausland befand, lud der 16-jährige Sohn seiner Partnerin trotz eines Verbots zwei Kollegen ein.
Diesen zeigte der 16-Jährige die Pistole. Er führte Ladebewegungen durch und entfernte das Magazin. Dann drückte er ab. Dies im Glauben, die Waffe sei entladen und nicht schussbereit. Doch dazu hätte er das Magazin vor der Ladebewegung herausnehmen müssen. So war eine echte Patrone aus dem Magazin in den Lauf nachgerückt. Diese Patrone traf einen der Kollegen. Das Projektil durchschlug die Wirbelsäule des damals 15-Jährigen im Halsbereich. Durch die Rückenmarkschädigung ist er seither irreversibel gelähmt.
Waffenbesitzer sah keine Gefahr
Waffen und deren Zubehör sind gemäss Schweizerischem Waffengesetz «sorgfältig aufzubewahren und vor dem Zugriff unberechtigter Dritter zu schützen».
Dieser Vorgabe sei er nachgekommen, hielt der Mann vor dem Obergericht fest: «Ich dachte, die Pistole sei gut aufbewahrt.» Es sei nicht voraussehbar gewesen, dass der 16-Jährige gegen das Besuchsverbot verstossen und mit der Waffe spielen würde.
Dass die Pistole ausnahmsweise nicht im Keller, sondern bei seiner Whiskysammlung lag, begründete der Mann mit Unbekannten, die zuvor das Quartier ausgespäht hätten. Um seine Familie vor Einbrechern zu schützen, habe er die Waffe schneller griffbereit halten wollen.
Und dass der Tresor – ebenfalls ausnahmsweise – unverschlossen gewesen sei, führte er auf Ferienstress zurück. Er hatte bei seiner Abreise die im Kassen-Alkohol-Schrank gelagerten Euroscheine vergessen und musste diese dann nachträglich rasch holen.
Die Frage des Fehlverhaltens
Der Verteidiger des Waffenbesitzers wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass der 16-Jährige um die Gefährlichkeit von Waffen wusste.
Das unerwartete Behändigen und gefährliche Manipulieren der Waffe durch den Jugendlichen sei stärker zu gewichten als das Nichtverschliessen des Tresors durch den Vater. Dieses Fehlverhalten des 16-Jährigen unterbreche den Kausalzusammenhang; von einer Sorgfaltspflichtverletzung könne deshalb nicht gesprochen werden und sein Mandant sei freizusprechen.
Das Obergericht sah es aber anders. Es liege «absolut im Rahmen des Erwartbaren», dass ein Jugendlicher, der sturmfrei habe, trotz Verbots Kollegen einlade und die unverschlossen herumliegende Pistole behändige. Es sei voraussehbar, dass eine Waffe – wie ein unverschlossener Alkoholschrank – eine gewisse Anziehungskraft auf Jugendliche ausübe.
Das Zürcher Obergericht verurteilte den 52-Jährigen deshalb wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Es verhängte bei einer Probezeit von zwei Jahren eine bedingte Geldstrafe von 250 Tagessätzen zu 170 Franken. Zudem sprach es eine unbedingte Busse von 1850 Franken aus.
SDA
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