Neues GeschäftsmodellSie machen aus Powerpoint-Präsentationen ein Erlebnis
Die meisten Vorträge sind eine Qual. Zwei Gründerinnen erwecken die Software zu neuem Leben. Hier nennen sie die schlimmsten Fehler und verraten, wie sie ihren Kunden helfen.

Powerpoint ist eine Erfolgsgeschichte: 34 Jahre ist es her, dass die erste Version dieser Präsentationssoftware für Apple-Computer ausgeliefert wurde. Heute werden nach Expertenschätzungen weit über 90 Prozent der Präsentationen mit Powerpoint gestaltet. Pro Sekunde, so hat das Wirtschaftsportal «Bloomberg» geschätzt, entstehen weltweit 350 neue Powerpoint-Präsentationen.
Die Kehrseite dieser Erfolgsgeschichte ist, dass viele dieser Präsentationen fürs Publikum eine Zumutung sind. Zu viel kleingedruckter Text, eine Ansammlung von Zahlen, endlose Stichwortlisten mit Bulletpoints – viele Rednerinnen und Redner haben keinerlei Talent für die visuelle Darstellung eines Vortrags.
«Alle nutzten Powerpoint, aber die meisten hassten das Programm und präsentierten darin Zahlen so, als wäre es eine Excel-Datei.»
Was viele Berufsleute im Alltag als Qual erleben, war für Sandra Radovic und Bruna Tombolatto ein Sprungbrett in die Selbstständigkeit. Die beiden Jungunternehmerinnen leben davon, andere durch ihre Powerpoint-Präsentationen gut aussehen zu lassen.
Beide haben Wirtschaft studiert, Tombolatto in São Paulo, Radovic in Zürich. Bei ihren ersten Anstellungen in Marketingpositionen fiel ihnen rasch auf, dass gute Ideen bei Kundenpräsentationen immer wieder durch schlechte Gestaltung sabotiert wurden. «Alle nutzten Powerpoint, aber die meisten hassten das Programm und präsentierten darin Zahlen so, als wäre es eine Excel-Datei», sagt Tombolatto, die nach Studienabschluss für die Modemarke Diesel tätig war und dort begann, die Kundenpräsentationen zu professionalisieren.
Sandra Radovic hatte sich schon während des Studiums mit Powerpoint angefreundet und für Agenturen Präsentationen erstellt. Später war sie als Brand Designer bei Gategroup tätig. «Mit der Zeit landeten alle wichtigen Präsentationen bei mir», sagt die 34-Jährige.
Von Anfragen überrannt
Tombolatto und Radovic lernten sich schliesslich im Marketingteam der Vermarktungsagentur des Europäischen Fussballverbands Uefa kennen. «Es sprach sich intern rasch herum, dass wir Powerpoint lieben», sagt Radovic, und so seien sie zum internen Kompetenzzentrum für die Aussendarstellung der Marke geworden. Wann immer ein Uefa-Manager an öffentlichen Anlässen oder bei Treffen mit Sponsoren und Partnern etwas präsentieren sollte, kümmerten sich Tombolatto und Radovic um die visuelle Aufbereitung der zentralen Aussagen.
Bald konnten die beiden Marketingspezialistinnen nicht mehr alle internen Anfragen bewältigen. Die Suche nach einer auf Präsentationen spezialisierten externen Agentur verlief ernüchternd. Da sagten sich die beiden: «Grosse Nachfrage, wenig Angebote, Passion fürs Thema – warum machen wir uns nicht als Gestalterinnen von Präsentationen selbstständig?»
Der Umstieg gelang problemlos. Rasch gewannen die Unternehmerinnen mit ihrer Firma A Friend erste Grosskunden wie die Credit Suisse, SBB, EY, Denner oder die Suva. Auch die Kontakte aus dem Fussball erwiesen sich als wertvoll. Die Uefa, die englische Premier League, die AC Milan und andere Spitzenclubs kaufen sich Präsentationen bei den Powerpoint-Spezialistinnen ein.
Im Gegensatz zu manchen Werbe- und Designagenturen erstellen Radovic und Tombolatto ihre Präsentationen nicht in spezialisierten Grafikprogrammen, sondern direkt in Powerpoint, damit die Kunden sie jederzeit nach Bedarf anpassen können. «Powerpoint hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und bietet grossartige Möglichkeiten», sagt Tombolatto, «nur haben das die meisten Nutzer noch nicht gemerkt.» Es sei allerdings auch nicht die Aufgabe eines Managers, seine hoch bezahlte Arbeitszeit mit der Erarbeitung von Präsentationen zu vergeuden.
Mit Powerpoint die Champions League erklären
Die beiden Spezialistinnen legen Wert darauf, in jede Präsentation eine persönliche Note einzubauen und darauf zu achten, dass der Auftritt zu den Kernwerten des Unternehmens passt. So haben sie für die SBB die neben dem Hauptsitz aufgestellte überdimensionierte Bahnhofsuhr in Powerpoint digital nachgebildet. Zu Beginn der Präsentation mutiert die Uhr zur Herzform, was die Bedeutung des Teamworks in turbulenten Zeiten symbolisieren soll.
Für die Credit Suisse haben sie den Hauptsitz am Paradeplatz nachgebildet, die Risiken im Bankgeschäft werden in der Präsentation greifbar, weil sie durch die Fenster ins Gebäude eindringen. Die Uefa haben sie darin unterstützt, den komplizierten Modus für die Champions-League-Qualifikation «nicht wie geplant mit einem Excel-Screenshot, sondern mit einer dynamischen Grafik» verständlich zu machen.
Typische Fehler
In Corona-Zeiten, wenn Fakten und Ideen nicht persönlich erläutert, sondern via Onlinevideokonferenzen vermittelt werden, sei die visuelle Aufbereitung noch wichtiger als sonst, sagt Radovic. Die meisten Präsentationen krankten an zu viel Text, unterschiedlichen oder unpassenden Schriften, zu komplizierten Diagrammen, unruhiger Farbgebung oder unnötigen Effekten wie Schattierungen, die längst nicht mehr modern wirkten. Entsprechend ziele ihre Arbeit oft darauf ab, für einen leichteren, ruhigeren Auftritt zu sorgen.
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Die Zwischenbilanz der Unternehmerinnen nach anderthalb Jahren fällt positiv aus. Im ersten Betriebsjahr verdienten sie in der eigenen Firma gleich viel wie zuvor als Angestellte, und für 2021 sind die Auftragsbücher schon praktisch voll. Entsprechend planen sie, das aktuell vierköpfige Team weiter aufzustocken. Denn für die Gründerinnen ist klar: Kunden, die daran interessiert sind, Zeit und Nerven zu sparen und mit einem guten Auftritt zu punkten, gibt es noch viele.
Mathias Morgenthaler war Wirtschaftsredaktor bei Tamedia und ist heute als Autor, Coach und Referent tätig. Er ist Autor der Bestseller «Aussteigen – Umsteigen» und «Out of the Box» und Betreiber des Portals www.beruf-berufung.ch
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