Unihockey: Kloten-Dietlikon JetsSie spannen nicht nur auf dem Hometrainer zusammen
Torhüter Simon Bergström bringt Emotionen ins Spiel der Jets, Physiotherapeutin Sarah Gscheidle auch mal den Kühlspray. Fast wäre das Paar in Schweden gelandet. Doch ein Anruf kam dazwischen.

Es ist Dienstag. Und zum Glück machen Simon Bergström und Sarah Gscheidle eine Ausnahme, sonst wäre das Gespräch mit ihnen definitiv schwierig geworden. Denn heute ist eigentlich Schwedisch-Tag des Paares. Am Montag sprechen sie ausschliesslich Deutsch miteinander, die restlichen Tage Englisch.
«Wunderbar» ist sein liebstes deutsches Wort, weil es so rund klingt. Ihre Favoritin auf Schwedisch ist die Erdbeere – «Jordgubbe». Er ist der charismatische Torhüter der Kloten-Dietlikon Jets, sie im Staff eine der drei Physiotherapeutinnen, von der alle im Umfeld sagen, sie sei genauso fröhlich und offen in der Art, wie ernsthaft und kompetent in ihrem Schaffen. Seit dem Weihnachtsfest des Vereins 2019 sind die beiden liiert.
«Simon kommt eigentlich nie in die Physio.»
Sarah Gescheidle weiss genau, wo es bei den Jets nach 22 Qualifikationsrunden zwickt und zwackt. Hauptsächlich sind es derzeit Muskelverhärtungen oder ein paar blaue Flecken zu viel, die kuriert werden müssen. Insgesamt zieht sie ein positives Fazit: «Wir haben heuer sehr wenig Verletzte im Team.» Eine Ausnahme ist der junge Verteidiger Basil Schibli, dem die Physiotherapeutinnen kurz vor Playoff-Start den Verdacht auf Bänderriss kommunizieren mussten. «Das», sagt Gscheidle, «gehört auch zu unseren Aufgaben, auch wenn es hart ist – und wir manchmal auch hart bleiben müssen, wenn die Spieler trotz Verletzung möglichst schnell wieder aufs Feld zurück wollen.»
Ob sie bei ihrem Freund auch schon Strenge zeigen musste? Gescheidle lacht und sagt mit einem amüsierten Seitenblick: «Simon kommt eigentlich nie in die Physio.» Seine Antwort folgt prompt: «Das ist doch ein gutes Zeichen.» Schliesslich war es auch schon anders.
«Sarah ist sehr präzis in ihren Diagnosen.»
Vor gut einem Jahr verletzte sich Simon Bergström bei einem Ballauswurf schwer. Das Knacken im Knie war hör- und spürbar, trotzdem spielte er die Partie noch zu Ende. Am nächsten Tag war sein Knie auf die Grösse einer Melone angeschwollen. Seine Freundin tippte auf einen kaputten Meniskus und schickte ihn sofort zum Arzt. «Sarah ist sehr präzis in ihren Diagnosen» bemerkt er. «Und sie kann gut zuhören.» Sie sagt über ihn: «Zu Hause ist er ruhig und bedacht, also eindeutig ausgeglichener als auf dem Feld.»
Gesprächiger Goalie
Simon Bergström ist ein Goalie von der talkativen Sorte. Er denkt und lenkt das Spiel der Jets aus der einmaligen und zugleich einsamen Position des Torhüters heraus mit expressiven Gesten und lautstarken Anweisungen. «Manchmal schreie ich auch», sagt er grinsend. Sarah Gscheidle sieht die Sache weniger einseitig: «Simon bringt sicher viel Emotionen ins Spiel. Aber wenn es brenzlig wird, kann er auch für Ruhe sorgen, die Leute erden.» Sie bringt das Bild des «Ankers», er nennt sich selbstironisch «Dockmaster». Damit ist er allerdings nicht weit weg von Cheftrainer Sven Engeler, der ihn innerhalb der jungen Jets-Equipe (Altersdurchschnitt knapp 23 Jahre) als «absolute Leaderfigur» bezeichnet und auch gleich klar stellt, was er im Playoff von seinem Torhüter erwartet: «Simon soll die Jungen mitziehen und uns in der Defensive mit seinem starken Stellungsspiel und sicheren Saves den Rücken stärken.»

Die Jets-Männer haben in der NLB-Qualifikation einen beachtlichen Schlussspurt hingelegt, sich mit fünf Vollerfolgen in Serie noch von einem Kandidaten für die Abstiegsrunde zu einem Top-Team gemausert. Als Tabellendritte treffen die Unterländer nun im Viertelfinal mit Lok Reinach auf ein Team, das sie zuletzt in der Meisterschaft deutlich geschlagen haben (15:5). «Wir haben einen Lauf, die Stimmung im Team ist ausgezeichnet», betont Bergström. Und: «Der Playoff-Final liegt durchaus drin, sofern wir nicht die Nerven verlieren, wenn wir mal ins Hintertreffen geraten.» Die Mannschaft könne sich in einer solchen Phase ruhig auf die eigenen Skorerqualitäten verlassen.
«Wenn sie mich so richtig auf dem Kieker haben, treffen sie plötzlich wieder.»
Nur gerade Qualifikationssieger Thun (164 Tore) hat in in der aktuellen NLB-Saison mehr Tore erzielt als die Jets (151). Und der Torhüter hat seine Tricks, um die Trefferquote seiner Mitspieler hochzuhalten. Sobald es mit dem Toreschiessen im Training hapert, zelebriert er seine Saves mit Absicht. «Wenn sie mich nämlich so richtig auf dem Kieker haben, treffen sie plötzlich wieder», verrät Bergström.

Der 28-Jährige bringt Erfahrung mit aus mehreren Hundert Ernstkämpfen, überwiegend bestritten in der besten Unihockeyliga der Welt für Linköping, Karlstad und Mora. Auch für die schwedische U19-Nationalmannschaft erhielt Bergström einst ein Aufgebot. Bereits als fünfjähriger Knirps wurde er in seiner Heimatstadt Arboga sozusagen zum Torhüter berufen. Er begleitete damals seinen älteren Bruder Johan ab und zu ins Unihockeytraining. Als er sich da zur Abwechslung mal ins Tor stellte, sagt der Trainer zu ihm: «Du bist ein Talent!» Seither sei er Goalie, meint Bergström grinsend. «Ich bin halt leicht zu überzeugen.» Bereut hat er den Entscheid nie.
Ähnlich geht es auch Sarah Gscheidle mit ihrem Job bei den Jets. Sie sagt: «Der Verein ist für mich inzwischen wie eine Familie.» Ein Rundmail während des Studiums hatte die Sache 2018 ins Rollen gebracht. Gscheidle war damals bereits im Staff eines Rugby-Teams in Winterthur und dachte sich: «Wieso nicht mal Unihockey?» Hauptberuflich ist sie inzwischen im Zürcher Waidspital auf der Inneren Medizin tätig. Die Betreuung der Unihockeyaner ist für die Physiotherapeutin eine erfrischende Abwechslung zum Arbeitsalltag.
Schlechtes Timing
Seit Herbst 2021 wohnt das Paar zusammen in Zürich-Oerlikon. Kennengelernt haben sie sich rund drei Jahre zuvor in Bergströms erster Saison für die Jets. Ihre Beziehung war damals erst ein paar Wochen alt, als es den Goalie wieder zurück nach Schweden zog. Die beiden führten daraufhin eine Fernbeziehung, sahen sich nur alle zwei Monate, weshalb sich Sarah Gscheidle irgendwann entschied, in Schweden einen Master zu machen. In derselben Woche, in der sie endlich die Zusage fürs Studium erhielt, bekam sie auch einen Anruf von ihrem Freund. «Simon überraschte mich damit, dass er zurück in die Schweiz kommt.» Die Jets hatten ihn erneut angefragt und da Bergström im SSL-Team von Linköping als zweiter Goalie alles andere als glücklich war, sagte er zu. Er kannte das Team, mochte den Club und konnte in der Schweiz sein Studium als Web-Entwickler problemlos fortführen. Für ihn war es die perfekte Lösung. «Ich hingegen brauchte ein paar Tage, bis ich den Delete-Knopf drücken und hierbleiben konnte», gesteht Gscheidle.
«Altdorf – für einen Schweden ist das keine Distanz.»
Heute planen die beiden ihre Zukunft in der Schweiz. Bergström hat inzwischen seinen Abschluss und tritt in diesen Tagen eine neue Arbeitsstelle an – in Altdorf. Und weil er die verblüfften Reaktionen der Schweizerinnen und Schweizer inzwischen kennt, erklärt er auch gleich, dass ihm der Arbeitsweg ins Urnerland überhaupt nichts ausmache. «Für einen Schweden ist das keine Distanz», bemerkt er. «Bei uns sind die Strecken zwischen Arbeits- und Spielorten viel grösser.» Ohne Berufserfahrung und mit noch begrenzten Deutschkenntnissen sei er dankbar für die Chance, die sich ihm in Altdorf biete.
Seine Zukunft bei den Jets ist derzeit noch offen. «Simon ist für uns ein wichtiger Führungsspieler auf und auch neben dem Feld», lässt Sportchef Samuel Kuhn verlauten. Gespräche laufen, klar ist, dass Bergström gerne in Kloten bleiben würde. Sein Fokus gilt nun aber erst mal dem Playoff. Seine Tante reist für die heisse Phase der Meisterschaft extra aus London an. Für begrenzte Zeit ist darum bald jeder Tag ein bisschen Schwedisch-Tag im Hause Gscheidle/Bergström. «Ich bin gefordert», sagt sie schmunzelnd. «Wunderbar», meint er dazu.
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