Sogar der eigene Captain kritisiert Favre
Hoch gepokert und gedemütigt: Der Schweizer BVB-Trainer wird nach dem 0:5 gegen die Bayern scharf gerügt.
Sein eigenes Urteil war schonungslos. Kurz nach der 0:5-Ohrfeige im Spitzenspiel gegen Bayern München musste Lucien Favre im ZDF-Sportstudio erklären, was die Bayern besser gemacht hatten, als sein BVB. «Gerade die Zweikämpfe auch, ne?», schlug der Moderator vor. Favre schnaufte kurz durch und zählte auf: «Zweikämpfe, Balleroberung, Antizipation und auch technisch.» Eine Mängelliste, die so ziemlich jede wichtige Facette des Fussballs beinhaltet. Kurz: «Es war eine Lehrstunde.»
Das Debakel endgültig besiegelt: Robert Lewandowski trifft zum 5:0. Videos: SRF
Eine Lektion gab es auch in Sachen Coaching. Für Lucien Favre. So zumindest sehen es die deutschen Medien. Denn so sehr der Schweizer Trainer im Januar wegen der souveränen Tabellenführung noch als Halbgott dargestellt wurde, so sehr prasselt jetzt die Kritik auf ihn herein. Tatsächlich hatte er für das Schlüsselspiel in München einige gewagte Entscheidungen getroffen. Keine Hilfe war natürlich, dass Stürmer Paco Alcacer wegen einer Armverletzung (wieder einmal) ausfiel. Doch Favres Lösung war doch etwas überraschend: Er stellte Marco Reus ins Sturmzenturm.
«Das ist mir scheissegal», kommentierte der sichtlich angefressene Reus nach Spielschluss seine Position. Obwohl, so egal war es ihm dann doch nicht: «Erklärt hat es mir der Trainer nicht. Jeder weiss, dass ich nicht auf dieser Position spielen will.» Wieso er es dennoch tun musste? «Da müssen sie den Trainer fragen.» Taten sie natürlich, die pflichtbewussten Journalisten in Deutschland. «Wir wollten viele Läufe in die Tiefe haben», begründete Favre und musste feststellen: «Das ist uns leider gar nicht gelungen.»
Machten es besser: Die Bayern, hier beim 4:0.
Mario Götze, der zuletzt ganz vorne als falsche Neun oder auch im offensiven Mittelfeld starke Leistungen zeigte, blieb auf der Bank. Auf der Zehn spielte der zuletzt kaum berücksichtigte Mahmoud Dahoud. Klar, dass auch diese Wahl nach einem derart desaströsen Resultat infrage gestellt wurde. Wie nah Geniestreich und Fehler im Fussball beieinander liegen, zeigte aber die 7. Minute. Wäre Dahouds Schuss (nach Vorlage des in die Tiefe gelaufenen Reus) nur wenige Zentimeter weiter links gelandet, der Ball wäre ins Tor statt an den Pfosten, Dortmund 1:0 in Führung – und Favre wohl wieder Halbgott.
So heisst es aber: «Favre vercoacht sich» (Eurosport und Ruhr Nachrichten) oder «Favres Taktik geht voll in die Hose» (Bild). Das Boulevardblatt bilanzierte: «Ausgerechnet im Giganten-Gipfel liegt der Schweizer mit seinen Ideen komplett daneben.» Und die Süddeutsche Zeitung befand: «Er hat am Samstag das versucht, was all die Gegner gemacht haben, die gegen München in dieser Saison chancenlos waren: Er hat seine Mannschaft nicht von ihren Stärken her gedacht, sondern von ihren Schwachpunkten.» Angelastet wird dem BVB-Trainer auch, dass er den 33-jährigen Lukasz Piszczek nach zweimonatiger Verletzungsabsenz hinten rechts aufgestellt hatte. Das einzige Gegentor über diese Seite fiel allerdings nach einem Eckball.
Deshalb wollte Favre dann doch nicht alle mediale Prügel auf sich nehmen: «Nach dem Spiel ist es einfach zu sagen, dass es nicht gut war, auf Mario Götze zu verzichten. Aber ich weiss nicht, ob es im anderen System besser gewesen wäre.» Es sei direkt nach dem Spiel schwer zu sagen, ob er nochmals gleich aufstellen würde. Dennoch war es ihm wichtig zu erwähnen: «Wir haben auch dumme Tore kassiert, das muss man auch sehen.» Er dürfte insbesondere das 2:0 gemeint haben, als Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou Robert Lewandowski den Ball in die Füsse spielt.
Oder das 3:0: Dreimal dürfen die Bayern innert weniger Sekunden schiessen, bis der Ball im Tor landet.
Bei aller Untergangsstimmung bleibt Favre mit dem BVB allerdings weiter im Meisterrennen. Ein Punkt liegt Dortmund jetzt hinter dem neuen Leader Bayern München zurück. Zudem müssen die Münchner in den letzten beiden Partien gegen RB Leipzig (3.) und Frankfurt (4.) ran. Deshalb antwortet Favre trocken, wenn er gefragt wird, ob er weiterhin an den Meistertitel glaubt: «Natürlich.» Aber: «Wenn wir so auftreten wie heute, dann wird es ganz schwierig, das ist klar»
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