Sozialvorsteher sind sich uneins im Urteil über neue Heimfinanzierung
40 statt wie bisher 27 Prozent der Heimkosten soll zukünftig der Kanton übernehmen, den Rest bezahlen die Gemeinden. Zudem müssen die Kommunen nicht mehr pro Fall zahlen, sondern abhängig von ihrer Einwohnerzahl. Im Unterland fallen die Reaktionen auf die Gesetzesänderung gemischt aus.

Muss ein Kind wegen einer schwierigen Situation in einem Heim platziert werden, ist dies teuer. Rund 200 Millionen Franken kosten Heimplatzierung sowie weitere behördlich angeordnete Massnahmen für solche Kinder im Kanton Zürich pro Jahr. Das bisherige Kinder- und Jugendheimgesetz (KJG) geht dabei auf die 60er-Jahre zurück und wird derzeit überarbeitet. Gestritten wird dabei vor allem auch um die Kostenverteilung. Am Montag hat der Kantonsrat einen ersten wichtigen Entscheid gefällt: Neu soll der Kanton 40 Prozent der Kosten übernehmen, die Gemeinden die übrigen 60. Bisher zahlte der Kanton lediglich 27 Prozent. Zudem werden die Gemeinden nicht mehr pro Fall bezahlen, sondern sie zahlen gemäss ihrer Einwohneranzahl einen Anteil an die Gesamtkosten im Kanton.Abgeschlossen ist die Debatte um das neue KJG damit nicht, doch bereits die ersten Entscheide sorgen bei Unterländern Gemeinden für höchst unterschiedliche Reaktionen. Nicht glücklich mit dem Entscheid im Kantonsrat ist beispielsweise Saskia Meyer (SVP), Sozialvorsteherin in Freienstein-Teufen. «Das Grundproblem bleibt bestehen: Als Gemeinde müssen wir auch weiterhin Blankoschecks ausstellen für Heimplatzierungen, auf welche wir keinen Einfluss haben», sagt Meyer. Sie hatte an diesem System bereits früher Kritik geübt: 2014 weigerte sich die Gemeinde Freienstein-Teufen, die Kosten von 750 Franken pro Tag für die Heimplatzierung eines Jugendlichen durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) zu bezahlen. «Wir können nur in den seltensten Fällen bei einer solchen Entscheidung mitbestimmen», sagt Meyer. Werde eine Platzierung vorgeschlagen, könne die Gemeinde eigentlich nur noch unterschreiben und die Rechnung bezahlen.
An diesem Problem ändere auch der Umstand nichts, dass man nun nicht mehr pro Fall bezahle, sondern prozentual einen Anteil der Gesamtkosten mittrage. «Im Gegenteil», erklärt Meyer, «das verstärkt den Effekt des Blankoschecks noch.» Man bezahle nun, ohne überhaupt von einem konkreten Fall zu wissen. Auch der Bürokratieaufwand erhöhe sich mit der neuen Regelung erneut: «Es gibt nun noch ein weiteres Töpfchen des Kantons, in welches man als Gemeinde einbezahlt.» Und noch einen weiteren Punkt bemängelt Meyer: «Wir haben in unserem Dorf eine gut funktionierende Jugendarbeit, die natürlich auch etwas kostet. Diese Arbeit ist wichtig und Gemeinden wie wir, die bereits mit Jugendlichen arbeiten, werden nun mit einer Pauschale trotzdem nochmals zur Kasse gebeten.»
Wer zahlt, befiehlt?
Nicht unbedingt begeistert von den ersten Entscheiden war auch Linda Camenisch (FDP), Sozialvorsteherin in Wallisellen und Kantonsrätin. «Wir sind der Meinung: Wer zahlt, befiehlt», erklärt Camenisch. Da aber nur die allerwenigsten Heimplatzierungen über die Gemeinden liefen, bestimme in den meisten Fällen der Kanton. «Befehlen tut also der Kanton – und er sollte deshalb auch zahlen.» Die FDP hatte dieses Credo auch am Montag vertreten, mit dem Antrag, dass der Kanton die Heimkosten vollständig übernehmen soll, während die Gemeinden für die sozialpädagogischen Massnahmen aufkommen. Der Kantonsrat lehnte diesen Vorschlag jedoch ab.
Für Camenisch ist nun vor allem wichtig, wie sich die Debatte weiterentwickelt. «Vielleicht kann man beim Verteilschlüssel ja noch eine minime Verbesserung erzielen, 50 zu 50 Prozent wäre wohl verkraftbar. Wichtiger ist aber, dass wir den Antrag durchbringen, dass wir bei der Verordnung mitbestimmen können.» Die Verordnung wird dereinst die Details der Kostenverteilung regeln, indem sie etwa festlegt, wie genau sich die Gemeinden gemäss ihrer Einwohnerzahl an den Gesamtkosten beteiligen müssen. «Hier stellt sich die Frage, wie es mit einem eigentlichen Soziallastenausgleich aussieht. Und da müsste eigentlich jede Gemeinde ein Interesse daran haben, mitzureden», so die Kantonsrätin. Und für Wallisellen sei das besonders entscheidend: «Wir sind bereits jetzt eine der Gebergemeinden des Finanzausgleiches. Nun werden wir auch noch bei der Heimplatzierung anderer Gemeinden zur Kasse gebeten. Es fragt sich, wann die Solidarität von Gemeinden wie unserer überstrapaziert ist.»
Mehr Stabilität prognostiziert
Sehr viel positiver eingeschätzt werden die Gesetzesänderungen von Daniel Frei (SP), Sozialvorsteher in Niederhasli und ebenfalls Kantonsrat. «Für die Gemeinden wird es mit dem neuen Kostenschlüssel eine Entlastung geben», ist sich Frei sicher. Dass aber in Zukunft sowohl Gemeinden wie auch Kanton zahlen, sei gut. Würde nur eine der beiden Parteien zahlen, wäre man vielleicht geneigt, im Zweifel lieber eine Massnahme anzuordnen, die nicht das eigene Budget belastet – unabhängig davon, ob das im Interesse des Kindes ist.
«Ausserdem müssen wir uns endlich von der Vorstellung lösen, dass man als Gemeinde selbst diese Fälle beurteilen und abklären kann», betont Frei. Viele dieser Heimplatzierungsfälle seien hochkomplex. «Mit der Kesb haben wir eine Behörde geschaffen, die auf solche Fälle spezialisiert ist und die im Auftrag der Gemeinden operiert. Das ist aufgrund der Komplexität der Thematik richtig und wichtig. Gemeinden können solche Fälle nicht besser beurteilen als die Kesb», betont Frei.
Auch das neue Gesamtkostenmodell begrüsst Frei. «Ein einzelner zusätzlicher Fall wird nun nicht mehr den Steuerfuss einer Gemeinde beeinflussen können», sagt Frei. Für die Kommunen schaffe das eine gewisse Planungssicherheit, die Budgetierung werde stabiler und berechenbarer. Und dadurch, dass die Einwohnerzahl bei der Übernahme der Kosten entscheidend sei, könne sich nun eigentlich keine Gemeinde beklagen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch