SP-Politiker verlassen die ParteiStreit in der Schaffhauser SP
Der Fraktionspräsident der Stadt-Schaffhauser SP geht und erhebt einen Lügenvorwurf. Die betroffene Nationalrätin Martina Munz bezeichnet diesen als «Frechheit».

In der Schaffhauser SP rumort es. Mehrere städtische Mandatsträger haben die letzten Tage und Wochen der Partei den Rücken gekehrt. Prominentester Abtrünniger ist Urs Tanner, 55-jähriger Jurist, der seit 1998 im städtischen Parlament sitzt und dort 18 Jahre lang die SP-Fraktion präsidierte.
Zwölf Sitze (von 36) besetzte die SP mit einem Wähleranteil von gut 20 Prozent bis vor zwei Wochen. Neuerdings sind es noch neun. Neben Tanner ging auch ein Jungsozialist und mit Marco Planas der ehemalige Präsident des städtischen Parlaments.
Ausser den drei aktiven städtischen Parlamentariern gaben kürzlich auch noch zwei ehemalige städtische Parlamentarier sowie der amtierende Schaffhauser Schulratspräsident den Parteiaustritt.
Im Sog der lokalen Berichterstattung sah sich plötzlich auch Nationalrätin Martina Munz in der Defensive. Sie hatte sich gegen einen Lügenvorwurf zu wehren, den Tanner in seinem längeren Rücktrittsschreiben erhoben hatte. Das Schreiben liegt auch dieser Redaktion vor. Tanner vermerkt darin: «Dass ich in Bezug auf den Rücktritt nach zwei Jahren von der amtierenden SP-Nationalrätin angelogen wurde, macht die Beziehung zur Partei nicht wirklich besser.»
Davonfliegende Karriereträume
Munz habe ihm vor zwei Jahren unter vier Augen gesagt, sie trete Mitte der laufenden Legislatur aus dem Nationalrat zurück, sagt Tanner auf Nachfrage. Tanner wäre nachgerückt. Doch aus dem Aufstieg vom langjährigen Lokalpolitiker zum Nationalrat wird nun nichts, denn Munz will nicht nur die laufende Legislatur beenden, sondern im Wahljahr 2023 ihren Sitz für weitere vier Jahre verteidigen. Als Bisherige dürfte ihr dies mit grosser Wahrscheinlichkeit gelingen.
Munz selbst sagt, sie habe Tanner zu keinem Zeitpunkt in Aussicht gestellt, aus dem Nationalrat zurückzutreten und ihm ihren Platz zu überlassen. Von einem solchen Gespräch unter vier Augen wisse sie nichts. Der Lügenvorwurf Tanners sei «eine Frechheit und sehr verletzend». Längstens sei mit der Partei abgesprochen gewesen, dass sie während der ganzen Legislatur bleibe. Sie selbst habe dies bereits bei der Klausurtagung zum Wahlauftakt 2019 so mitgeteilt. Tanner sei dort dabei gewesen.
Munz fragt sich, ob sich Tanner getraut hätte, eine solche Verleumdung auch bei einem männlichen Konkurrenten zu äussern. «Ein Rücktritt meinerseits entspricht wohl seinem Wunschdenken», bilanziert sie.
Tatsächlich sitzt Munz, nach mehrjähriger Wartezeit, heute in ihren Lieblingskommissionen – in der Umweltkommission sowie in der wichtigen Finanzkommission. Sie sei in wichtige Geschäfte eingebunden und trete deshalb nochmals an.

Davonfliegende Karriereträume erklären aber wohl nur einen Teil der Parteiaustritte. Ein weiterer Grund ist, dass die AL (Alternative Liste) im Frühling in der SP aufging. Tanner konnte sich als SP-Fraktionspräsident mit den tendenziell eher forsch und frech auftretenden Vertreterinnen und Vertretern der AL offenbar nie richtig anfreunden. Er spricht von einer «cleveren SP-Übernahme durch die AL». Der frühere SP-Nationalrat und Ex-SP-Präsident Hans-Jürg Fehr sieht das fundamental anders.
Mit der SP und der AL sei «zusammengewachsen, was zusammengehört». Die SP habe in den vergangenen Jahren zu 95 Prozent deckungsgleich mit der AL politisiert. Dass die jungen Linken aus der AL «nicht mehr neben uns, sondern als Teil von uns politisieren, ist ein Glück, denn die Schaffhauser Linke wird dadurch gestärkt», ist Fehr überzeugt.
Auch Nationalrätin Martina Munz sagt, die AL habe mit ihrer Auflösung im vergangenen Frühjahr genau das gebracht, was in der teils überalterten Schaffhauser SP weitgehend gefehlt habe – arrivierte Leute, die in den Institutionen die SP-Politik umsetzen könnten.
Die Austritte aus der SP zeigen aber, dass dies nicht alle Involvierten so sehen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.