Papablog: Wie älter werden?Trockensurfen für alternde Väter
Das Altern hält unseren Autor noch nicht davon ab, Dinge zu tun, die er gerne macht. Dazu braucht er allerdings eine grosse Portion Disziplin.

Neuerdings stehe ich immer häufiger auf einem dieser gerade ziemlich hippen Balanceboards und versuche, das Gleichgewicht zu halten. «Schon viel länger als gestern», sagt mein Achtjähriger, den ich für seine Begeisterungsfähigkeit über alles liebe. Wenn man einen richtig miesen Tag hat, ist mein Kleiner immer genau der Richtige, um einen wieder aufzubauen. «Dann können wir bald surfen gehen!», jubelt meine Sechsjährige, die ich für ihre Unerschrockenheit und ihren Tatendrang über alles liebe. Wenn man Dinge ausprobieren will, vor denen man ein bisschen Angst hat, ist meine Kleine genau die Richtige, um sie anzugehen.
Ich blicke auf meine Füsse und rolle abwechselnd nach links und nach rechts. Es klappt tatsächlich schon um einiges besser. Die Lernkurve ist erstaunlich steil für einen Mann in meinem Alter.
Heidewitzka, wie alt will ich denn noch werden?! Ziemlich alt, um ehrlich zu sein.
Ich schreibe «einen Mann in meinem Alter» und meine das auch so. Sie brauchen mir an dieser Stelle nicht zu widersprechen – (ich soll Ihnen aber von meiner durchaus nicht unbeträchtlichen Eitelkeit ausrichten, dass Sie es ruhig dürfen) – immerhin werde ich dieses Jahr noch Dreiundvierzig. Das ist schon so ein Alter, das man sich als Kind nicht vorstellen konnte. Mitte Dreissig, das ging irgendwie noch. Aber Anfang Vierzig? Heidewitzka, wie alt will ich denn noch werden?! Ziemlich alt, um ehrlich zu sein.
Momentan bin ich in einem Zwischenalter. Die Jahre, in denen man noch «so viel Zeit hat» und sich mit eben dieser Zeit versucht, Dinge zu erkaufen, die man für notwendig hält, sind vorbei. Die Jahre, in denen man ein Anrecht auf Nostalgie hat, weil man auf mehr zurückblickt als man noch in Aussicht zu haben glaubt, liegen mutmasslich noch vor mir.
Erste Abnützungserscheinungen
Eigentlich fühlt es sich gerade ganz gut an. Alter ist noch etwas, dass sich in den Griff bekommen lässt. Klar gibt es die ersten Abnutzungserscheinungen. Nach dem Duschen muss ich mich beispielsweise in einem halben Liter Creme wenden, wenn ich nicht als Gollum auf der Suche nach meinem Schatz Hautfeuchtigkeit durch die Lande ziehen will. Und wenn ich bei Gegenwind Fahrrad fahre (also quasi immer), brauche ich eine Brille als Augenschutz, weil meine Lider inzwischen nicht mehr so flink sind wie früher und meine Pupillen während der Fahrt andernfalls alle möglichen Fliegeviecher als Fleischbeilage einpökeln. Sehr unangenehm das Ganze.
Manchmal krieche ich wie eine Schildkröte aus dem Bett. Manchmal bleibt am Ende der Arbeit viel zu wenig Tag übrig, um sich einigermassen zu erholen. Aber alles in allem hält mich das Altern noch nicht davon ab, Dinge zu tun, die ich gerne mache. Zumindest nicht, wenn ich mit aller Macht dagegenhalte.
Hauptsächlich möchte ich, dass es noch ein bisschen länger so bleibt, wie es jetzt ist. Es ist gut gerade.
Dagegenhalten bedeutet für mich seit einiger Zeit, so viel Disziplin mit mir und meinem Körper aufzubringen wie möglich. Kein Alkohol, kein Fleisch, keine Süssigkeiten. Regelmässig Sport. Wenn andere mich danach fragen, warum ich all das tue, erwarten die meisten, dass ich damit irgendwo hin will: Einen Marathon laufen. Einen Gipfel besteigen. Nackt gut aussehen (ich soll Ihnen von meiner Eitelkeit ausrichten, dass sie schnell weggucken wird, damit Sie mit mir so tun können, als wäre mir mein Aussehen egal).
Tatsächlich möchte ich hauptsächlich, dass es noch ein bisschen länger so bleibt, wie es jetzt ist. Es ist gut gerade. Ich kann meine älteste Tochter auf den Schultern tragen, die fast so gross ist wie ich. Ich kann mit meinem Kleinen eine halbe Stunde Kicken ohne zusammenzuklappen. Und offenbar kann ich auf einem Balanceboard stehen, ohne mir den Hals zu brechen. Irgendwann wird all das vorbei sein.
Irgendwann werde ich mich dazu nicht mehr aufraffen können. Doch noch ist es nicht so weit. Noch komme ich mit Trockensurfen für alternde Väter über die Runden, damit ich im nächsten Sommer vielleicht mit meiner Kleinen Wellenreiten probieren kann. Noch ist Zeit.
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