Winterthurs grosser AbendUnd dann wird es in der Festhütte plötzlich surreal
Der Aufsteiger macht alles, um den grossen FC Basel zu ärgern – am Ende ist das 1:1 zu wenig für seinen leidenschaftlichen Auftritt.

Foto: Andy Müller(Freshfocus)
Beginnen wir mit dem Schluss. Und der Frage an den Basler Alex Frei: Wären Sie mit dem Resultat unzufrieden, wenn Sie noch Trainer des FC Winterthur wären? «Ja», sagt er.
Die Antwort sagt so viel aus über diesen Abend, auf den Fussball-Winterthur 37 Jahre lang gewartet hat. Der FC Basel muss zufrieden sein mit dem 1:1, dem einen Punkt, und das gegen den ehemaligen Club von Frei, den FCW, den Aufsteiger. Der Grosse stolpert beim Kleinen, und er tut es, weil der Kleine eben nicht unterwürfig auftritt, sondern mit grossem Herzen ans Werk geht.
Vor dem Spiel läuft im «Stadion», der Beiz neben der Schützenwiese, im Fernseher YB gegen Zürich, alter Serienmeister gegen Titelverteidiger. Eine Handvoll nur schaut hin, die vielen anderen wollen sich nur auf eines einstimmen, dieses Spiel gegen Basel. 8400 werden eingelassen, mehr lässt die Kapazität nicht zu. Nationaltrainer Murat Yakin nimmt zufrieden seinen Tribünenplatz ein.
«Das ist einfach nur schön»
Die Schützenwiese soll zur Festung werden, hat unter der Woche Freis Nachfolger Bruno Berner gesagt, die Schützenwiese als «schützende Wiese» für seine Mannschaft, das ist ihm als Formulierung auch eingefallen. Dieses kleine Stadion ohne Komfort, den hier auch keiner braucht und verlangt. Dafür hat es das, was Andreas Mösli als Seele bezeichnet. Es ist ein Unikat und taugt zur Festhütte.
Mösli steht, Mitternacht ist längst vorbei, oben auf der Haupttribüne und schaut hinunter auf den Platz vor der Libero-Bar. Viele Hundert stehen noch da, trinken, reden, freuen sich über das, was sie erlebt haben. «Der Hunger ist da», sagt Mösli, der den FCW mit seiner Arbeit und seinen Idealen in den letzten zwei Jahrzehnten zu dem gemacht hat, was er jetzt ist, «das ist ein Abenteuer. Es ist einfach nur schön.»
Wie Fussball noch immer sein kann, zeigt der Abend auf der «Schützi». Da hat es nichts von künstlicher Glitzerwelt, das ist einfach die ausgelassene Freude am Spiel. Als Alex Frei noch in Winterthur Trainer war, brachte er es einmal auf den Punkt, was er hier spürt und erlebt: «Fussball pur!»

Foto: Claudio Thoma (freshfocus)
Noch keine drei Minuten ist das Spiel am Samstag alt, als die Stimmung so richtig hochkocht. Fabian Frei, der alte Hase, der einst auch beim FCW war, schlägt einen fatalen Rückpass, Roman Buess, der gebürtige Basler, setzt sich gegen Andy Pelmard durch, Samir Ramizi lässt Nasser Djiga und schliesslich Marwin Hitz keine Chance. Es steht 1:0, und Mösli sagt: «Das ist surreal, dass wir führen.» Diese Szene ist früher Beleg für all die gravierenden Probleme, die der FCB im Zentrum seiner Defensive hat.
«Wir gehen raus und probieren etwas», hat Berner als Vorsatz für diese Saison formuliert, und seine Spieler getrauen sich etwas gegen den prominenten Gegner. Sie sind getragen von der Stimmung und angetrieben von der eigenen Freude, endlich zur Super League zu gehören. Buess redet nicht umsonst davon, dass dieser Match für sie alle «ein Highlight» in ihrer Karriere sei.
Als Berner schon jubelt
Das gilt selbst für ihn, der in der Super League immerhin schon 108 Einsätze für Basel, Thun und St. Gallen hinter sich hat. Und dass das so ist, sagt so viel aus über die Bedeutung dieses Spiels gegen Basel. Es ist eben mehr als nur ein gewöhnliches Spiel, und dass es wirklich zum Ereignis wird, liegt an diesem Buess und seinen Kollegen, die mit nimmermüder Leidenschaft kämpfen.
Francisco Rodriguez hat in der ersten Minute nach der Pause eine erste Chance, er scheitert an Hitz, Matteo Di Giusto, erst 21-jährig, taucht allein vor dem Tor auf, Hitz hält grossartig. Und als es inzwischen nach dem Schuss von Wouter Burger 1:1 steht, umspielt Di Giusto den Basler Goalie und hat das leere Tor vor Augen. Berner ist nicht der Einzige, der die Arme schon zum Jubeln hochreisst. Bloss, dass es kein Goal gibt, Michael Lang verhindert es mit seiner Grätsche.
Sayfallah Ltaief half im Frühjahr noch entscheidend mit, dass der FCW in die höchste Liga zurückkehrte. Im Sommer folgte er Frei nach Basel. Nach dem Match sagt er in die Fernsehkamera: «Gegen einen Aufsteiger muss man klar gewinnen.» Nichts geworden daraus, die Winterthurer drehen dafür eine Ehrenrunde und haben schon das nächste emotionale Spiel vor Augen. Am Samstag geht es 50 Kilometer ostwärts zum Derby nach St. Gallen.
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