USA lassen Hunderte Kinder wochenlang in Grenzlagern alleine
Berichte über Lager an der Grenze zu Mexiko sorgen für Entsetzen. Den verwahrlosten Kindern fehlte es an Essen, Seife und Betreuung.

Die Kinder waren auf sich allein gestellt, und das seit Wochen. Das Grenzlager in Clint, Texas, war mit mehr als 300 Buben und Mädchen heillos überfüllt, und es fehlte an allem, an Essen, an Windeln, an Seife, an sauberen Kleidern, Zahnbürsten und Zahnpasta. Vor allem aber an Betreuungspersonal: Achtjährige Knirpse kümmerten sich um Babys und Kleinkinder. Dazwischen versuchten sie, einander gegenseitig zu beruhigen.
Vergangene Woche schlugen Anwälte Alarm, nachdem sie die Grenzkontrollstation im texanischen Dorf in der Nähe von El Paso besucht hatten. Sie berichteten zum Beispiel von einem Vierjährigen mit verfilztem Haar, der seit Tagen nicht mehr unter der Dusche war und Hunger hatte. Ein Teil der Kinder sei seit drei Wochen eingesperrt gewesen und 15 seien an Grippe erkrankt, berichteten die Anwälte gemäss der «New York Times».
Video: Das Kinderlager in Clint, Texas
Zum Team der Juristen gehörten Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Einige der Kinder, berichten sie, hätten auf Betonböden geschlafen: «Sie assen fast einen Monat lang das gleiche ungeniessbare und ungesunde Essen: Haferflocken, Fertigsuppe und einen zuvor gefrorenen Burrito», schreibt Nicole Austin-Hillery, Direktorin der US-Sektion von HRW. Kinder sollten nicht mehr als ein paar Stunden in Grenzgefängnissen verbringen, das US-Recht begrenzt ihre Haft auf 72 Stunden.
«Wie ist es möglich, dass Sie die unmenschlichen Bedingungen für Kinder nicht kannten?»
Eigentlich ist der Zutritt zu Einrichtungen wie jener in Clint verboten. Die Anwälte haben jedoch in einem langen Verfahren vor Gericht erwirkt, dass sie das Auffanglager besuchen durften. Sie wollten wissen, wie es den jungen Migranten in staatlicher Obhut geht. Entsetzt ob der Zustände setzen sie sich nun dafür ein, dass die Kinder umgehend in Heime verlegt werden, wo sie angemessen betreut werden.
Veronica Escobar, die bei den Zwischenwahlen im Herbst ins Repräsentantenhaus gewählt wurde, wandte sich darauf an die US-Grenzschutzbehörde. «Wie ist es möglich, dass Sie die unmenschlichen Bedingungen für Kinder, insbesondere für Kinder im zarten Alter, in der Clint Station nicht kannten?», zitiert der «Guardian» aus dem Brief Escobars. Die junge Abgeordnete forderte, «diesen humanitären Missbrauch» bis Ende Woche zu stoppen.

Inzwischen hat die US-Regierung reagiert und veranlasst, dass 249 Kinder in Heime ziehen konnten. Eine unbekannte Zahl weiterer Kinder wurde gemäss Escobar in ein Zeltlager bei El Paso gebracht. Allerdings ist unklar, ob die Zustände dort besser sind. In Clint zurückgeblieben seien am Montag immer noch 30 Kinder, beanstandete Escobar.
Die Grenzschutzbeamten hatten die Kinder in Clint untergebracht, weil die Behörde mit einem ungewöhnlich grossen Zustrom von Migranten konfrontiert war. Die Kleinen waren entweder von ihren Eltern oder anderen Angehörigen wie Onkeln und Tanten getrennt worden, mit denen sie die Grenze überschritten hatten. Oder es handelt sich um Kinder jugendlicher Mütter, die ebenfalls festgehalten worden waren, wie die «New York Times» berichtet.
Die Situation findet auch US-Vizepräsident Mike Pence «total inakzeptabel», aber spielt den Ball lieber weiter.
«Wir erleben eine humanitäre und sicherheitspolitische Krise an der Südgrenze der Vereinigten Staaten, und die Situation wird von Tag zu Tag dramatischer», sagte Evelyn Stauffer, Sprecherin des US-Gesundheitsministeriums, das die Kinder beherbergt und versorgt, sobald sie die temporären Grenzanlagen wie jene in Clint verlassen haben. Mit aktuell mehr als 13'000 Buben und Mädchen in Obhut sei die Kapazität jedoch bereits überschritten.
Die Regierung Trump steht seit Monaten in der Kritik wegen der Bedingungen in den Auffanglagern. Angeblich sind bereits fünf Kinder in Gewahrsam der Grenzschutzbehörde gestorben. US-Vizepräsident Mike Pence zeigte sich angesichts der Berichte aus Clint entsetzt. In der Fernsehsendung «Face the Nation» sagte er am Sonntag, unsichere und unhygienische Bedingungen seien für Kinder «total inakzeptabel». Worauf er den Ball dem Kongress zuspielte: Er hoffe, dass die Parlamentarier weitere Gelder für die Grenzsicherung freigeben, fügte Pence bei.
In Washington erwartet man, dass der Flüchtlingsstrom aus dem Süden nun rasch abnimmt und sich die Lage in den überfüllten Lagern entspannt: Am Montag entsandte die Regierung Mexikos Truppen an die Grenzen des Landes. Fast 15'000 Sicherheitskräfte wurden im Norden stationiert, um die illegale Einwanderung in die USA zu verhindern. Im Süden Mexikos an der Grenze zu Guatemala befinden sich weitere 6500 Sicherheitskräfte. Der Einsatz von Armee und Nationalgarde gegen Migranten erfolgt auf amerikanischen Druck. Präsident Donald Trump hatte Mexiko mit Zöllen gedroht, sollte das Nachbarland die Zuwanderung in die USA nicht deutlich eindämmen.
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