War der Stern von Bethlehem ein exotischer Komet?
Zahlreiche Kometen aus einer fernen Welt dürften sich in unserem Sonnensystem tummeln. Ein Zürcher und ein Münchner Forscher haben neue Erkenntnisse dazu.

War der Stern von Bethlehem ein exotischer Komet, der ursprünglich aus einem anderen Sonnensystem stammt? Ganz auszuschliessen ist das nicht. In einer aktuellen Publikation haben Tom Hands von der Universität Zürich und Walter Dehnen von der Ludwigs- Maximilians-Universität München berechnet, wie häufig solche Besucher aus den Tiefen des Weltalls sind. Demnach dürften sich zahlreiche Kometen aus einer fernen Welt in unserem Sonnensystem tummeln.
Schon seit Jahrtausenden rätseln Astronomen über die seltsamen Schweifsterne, wie Kometen auch bezeichnet werden. Diese Himmelskörper kamen wie aus dem Nichts, präsentierten ihren Schweif und verschwanden wieder. In der Regel tauchten sie in der Lebenszeit eines Menschen nie wieder auf. Die Interpretation der Kometen als göttliche Schicksalsboten lag auf der Hand.
In Zusammenhang mit dem Stern von Bethlehem wird oft der Halleysche Komet als Erklärung ins Spiel gebracht, der im Mittel alle 75,3 Jahre wiederkehrt, zuletzt im Jahr 1986. Damit gehört er zu den kurzperiodischen Kometen. Halley war in den Jahren 12 bis 11 vor Christus zu sehen, allerdings nur sehr schlecht.
Interstellarer Raum
Vielleicht war der Stern von Bethlehem auch ein Komet wie Hale-Bopp, der als langperiodischer Komet nur zirka alle 2500 Jahre wiederkehrt. Dann würden wir das Objekt, auf das sich die Weisen aus dem Morgenland bezogen, schlicht nicht kennen. Jedenfalls gibt es bis heute keine wissenschaftlich anerkannte Erklärung für den Stern von Bethlehem.
Als Heimat der langperiodischen Kometen gelten die fernen Zonen unseres Sonnensystems. Wie Hands und Dehnen nun in den «Monthly Notices of the Royal Astronomical Society» (MNRAS) schreiben, gibt es noch einen anderen Ursprung: Langperiodische Kometen wie Hale-Bopp könnten aus dem interstellaren Raum eingefangen worden sein.
Zwei interstellare Besucher wurden sogar schon beobachtet. 2017 sorgte der Himmelskörper 1I/Oumuamua für Schlagzeiten. Dieser wurde allerdings erst entdeckt, als er sich bereits wieder aus dem Sonnensystem entfernte. Ob es sich tatsächlich um einen eisigen Kometen oder eher um einen steinernen Asteroid handelt, ist daher nicht restlos geklärt. Sicher ist auch, dass uns 1I/Oumuamua nur einen einmaligen Besuch abgestattet hat: Seine Flugbahn zeigt klar, dass er auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Einmalige Besucher
Im August 2019 hat der Amateurastronom Gennady Borisov ein weiteres interstellares Objekt entdeckt. Dessen hohe Geschwindigkeit zeigt, dass auch 2I/Borisov ein einmaliger Besucher ist. Aber immerhin zeigt er die für einen Kometen typischen Ausgasungen. Es sollte möglich sein, seine Koma rund ein Jahr lang mit den besten Teleskopen zu beobachten und deren chemische Zusammensetzung zu analysieren. So könnten die Astronomen vielleicht einen ersten Einblick in die Entstehungsgeschichte anderer Sonnensysteme erlangen.
Motiviert durch diese beiden exotischen Objekte haben Hands und Dehnen mit dem Computer simuliert, wie viele interstellare Kometen sich dem Sonnensystem nähern und welcher Anteil davon eingefangen werden sollte. «Diese blinden Passagiere bilden sich um ferne Sterne herum, bevor sie in unsere Richtung geschleudert werden», sagt Hands. Nach einer Reise über viele Lichtjahre würden sie sich unserem Sonnensystem nähern und in den Einflussbereich von Jupiter gelangen, dem gewichtigsten unserer Planeten. «Wir haben 400 Millionen solche Körper simuliert, wie sie sich Sonne und Jupiter nähern.»
Wie die Berechnung zeigt, lenkt Jupiter nur eine kleine Minderheit der interstellaren Kometen stark genug ab, dass sie im Sonnensystem eingefangen werden. Die meisten dürften einmalige Besucher sein wie 1I/Oumuamua und 2I/Borisov. «Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Einfangs gering ist, könnten zwischen einigen hundert und hunderttausend dieser interstellaren Kometen die Sonne umlaufen», sagt Hands.
Am ehesten würden Objekte eingefangen, die deutlich langsamer unterwegs sind als 1I/Oumuamua und 2I/Borisov. Die Bahnen der eingefangenen Objekte gleichen jenen von langperiodischen Kometen, welche die Menschheit seit Jahrhunderten beobachtet. Das heisst: Interstellare Kometen verstecken sich quasi in Sichtweite.
Das bietet eine interessante Option: «Wenn wir einen identifizieren könnten, hätten wir eine echte Chance, die Zusammensetzung von Material aus einem anderen Sternsystem genau zu untersuchen», sagt Hands. Allerdings dürfte es nicht einfach sein, einen langperiodischen Kometen oder Asteroiden zweifelsfrei als Objekt von einem anderen Stern zu identifizieren.
Immerhin konnten die Studienautoren zeigen, dass sich die eingefangenen interstellaren Objekte vorwiegend auf der Ebene der Planetenbahnen und ausserhalb von Jupiter aufhalten sollten. Zudem spricht einiges dafür, dass die eingefangenen, langperiodischen Objekte eher inaktiv sind, also eher 1I/Oumuamua ähneln dürften als 2I/Borisov.
War der Stern von Bethlehem nun ein «heimischer» Komet oder ein exotischer Besucher aus dem «Jenseits» des Sonnensystems? Diese Frage kann die neue Studie natürlich nicht beantworten. Aber immerhin ist es möglich, dass wir bereits einen interstellaren, wiederkehrenden Kometen gesehen haben. Nur dachten wir, es handle sich um einen normalen, in unserem Sonnensystem entstandenen Schweifstern.
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