Wahlkampf in den USAWarum Trump noch nicht geschlagen ist
Manche Beobachter schreiben den US-Präsidenten bereits hämisch ab. Doch das ist verfrüht, wie ein Blick auf vergangene Wahlen zeigt. Und jetzt stehen entscheidende Monate an.

Bei Umfragen liegt er landesweit hinten. Manche behaupten gar, Donald Trump habe drei Monate vor der US-Wahl im November den Staat Michigan kampflos aufgegeben. 2016 hatte er ihn knapp gewonnen. Dem Präsidenten laufe die Zeit davon, nur schwerlich könne er seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden noch einholen. Die Sache sei mithin gelaufen.
Vorsicht aber ist geboten: Entschieden ist noch nichts, zumal die Demokratische Partei dafür bekannt ist, gute Chancen zu verspielen. Die Geschichte amerikanischer Präsidentschaftswahlen bietet einige Beispiele, wie demokratische Kandidaten im Sommer führten und im Herbst sang- und klanglos untergingen.
Siehe etwa 2016: Hillary Clinton lag den gesamten Sommer über vor Trump. Laut Umfragen betrug dessen Rückstand auf Clinton zeitweilig zwölf Prozent. Im Oktober aber schob sich Trump immer näher an die Demokratin heran. Zugute kam ihm dabei die fragwürdige Entscheidung des damaligen FBI-Direktors James Comey, die Ermittlungen gegen die Ex-Aussenministerin Clinton wegen ihrer Nutzung privater Server für offizielle Mails wieder aufzunehmen. Zwar erhielt die Demokratin rund drei Millionen Stimmen mehr, verlor aber im Wahlkollegium.
Kerrys Berater jubelte am Wahltag – und verlor
Im Sommer 1988 führte der Demokrat Mike Dukakis gemäss Erhebungen mit bis zu 17 Punkten vor dem Republikaner George Herbert Walker Bush, am Ende aber siegte Bush. Und 2000 schien Al Gore auf dem Weg ins Weisse Haus, bis ihn das Wahldebakel in Florida um den Sieg brachte und George W. Bush ins Präsidentenamt beförderte – obwohl Bush eine Million weniger Stimmen erhalten hatte.
2004 sah es für John Kerry recht gut aus, noch am Wahltag vermeldeten interne Umfragen des demokratischen Kandidaten einen Erfolg gegen Präsident Bush. Kerrys Berater Jonathan Weiner sprach bei Telefonaten am Nachmittag der Wahl bereits von einem historischen Sieg, indes der nervöse Bush von seinem Chef-Strategen Karl Rove beruhigt wurde: «Unsere Leute gehen später wählen». So war es, Bush gewann.
Dieser Präsident wird vor keinem schmutzigen Trick zurückschrecken, wenn er ihm die Wiederwahl sichert.
Drei Monate vor dem Urnengang 2020 gibt es genügend Unwägbarkeiten und potenzielle Überraschungen, die einen Sieg Joe Bidens gefährden könnten. Wie wird sich der Demokrat bei den drei geplanten TV-Debatten mit Trump schlagen? Wird die demokratische Basis diesmal wirklich wählen gehen, im Gegensatz zu 2016, als viele Junge und Afroamerikaner zu Hause blieben? Oder wird Donald Trump im Oktober plötzlich verkünden, ein Impfstoff gegen das Coronavirus stehe bereit, die Pandemie sei bald bezwungen? Denkbar wäre auch eine schwere aussenpolitische Krise kurz vor dem Urnengang, in der sich die Amerikaner plötzlich wieder um den Oberkommandierenden im Weissen Haus scharten.
Es lohnt sich zu wiederholen: Donald Trump mag angezählt sein, ausgezählt aber ist er noch nicht. Zumal dieser Präsident vor keiner Durchstecherei und keinem schmutzigen Trick zurückschrecken wird, wenn sie ihm der Wiederwahl näher brächten.
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