
Was blieb ihr anderes übrig angesichts der Intrigen, die gegen sie gesponnen wurden? Ruth Humbel, die Aargauer Nationalrätin am rechten Flügel der Mitte-Partei, wird bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten. Und es kann gut sein, dass sie schon vorher geht, um ihrem Nachfolger eine bessere Wahlchance zu ermöglichen dank Wiederwahl. Und diese Chance wird der Winzer Andreas Meier brauchen; den kennt in Bern noch keiner.
Dass eine Nationalrätin aufhört, die seit 19 Jahren im Parlament politisiert, kann man begrüssen. Politikerinnen und Politiker neigen notorisch dazu, ihre eigene Bedeutung zu überschätzen. Das gilt für das Parlament und noch viel stärker für den Bundesrat. Dem eine Amtszeitbeschränkung schon deshalb guttäte.
Man kann sie sehr wohl kritisieren
Bei Ruth Humbel wünschte man sich trotzdem, dass sie noch bliebe. Und zwar aus zwei Gründen. Der erste hat mit den Umständen ihres Abganges zu tun. Denn es ist indiskutabel, wie Mitglieder ihrer Partei gegen ihre eigene Nationalrätin vorgegangen sind. Ohne Rücksprache mit ihr haben sie ihren Abgang während der laufenden Legislatur angekündigt. Das kommt einer öffentlichen Desavouierung gleich.
Der zweite Grund, warum man ihre Einschätzung teilt, sie dürfe selber über ihren Rücktritt bestimmen, hat mit ihrer Leistung zu tun. Also dem entscheidenden Kriterium in der Politik.
Es gibt eine Menge Gründe, Ruth Humbel zu widersprechen. Man kann ihre Renten- und Gesundheitspolitik kritisieren, ihre Haltung gegenüber Pflegerinnen und Pflegern, ihre lobbymässige Nähe zu den Krankenkassen, ihre Einstellung zur Asylpolitik. Ausserdem haben wir es vor allem ihr zu verdanken, dass die dringende Reform des Betäubungsmittelgesetzes im Juni 2004 scheiterte. Dennoch muss man ihr attestieren, dass sie kompromissfähiger ist, als sie scheint. Und nicht immer so konservativ denkt, wie sie klingt.
Entscheidend ist aber etwas anderes: Es gibt nicht den geringsten Zweifel an ihrer Kompetenz, ihrem Engagement und ihrer politischen Courage. Das macht das intrigante Verhalten ihrer Partei noch destruktiver. Und kontraproduktiv noch dazu.
Das geht gar nicht
So viel zu Ruth Humbel. Sie macht vor, was die SVP während vieler Jahre an Toni Bortoluzzi hatte. Auch er war in diesem hochkomplexen Gesundheitsdossier kompetent wie keiner sonst in der Partei und als Einziger in der Lage, es mit Ruth Dreifuss aufzunehmen. Auch sein Abgang hat der SVP enorm geschadet. Dass eine Partei bei einem Faulen oder einer Profiteurin im Parlament, bei einer dauernd Abwesenden oder einem Inkompetenten die Geduld verliert und sich den Abgang wünscht, kann man ihr nachsehen. Aber dass man eine Kompetente wegdrängen will, das geht gar nicht.
Was uns zu einem anderen prominenten Nationalrat bringt, der nicht gehen will: Roger Nordmann, dem ebenso erfahrenen, darüber hinaus perfekt zweisprachigen und beliebten SP-Nationalrat aus dem Kanton Waadt. Dass der sozialdemokratische Fraktionschef ein fünftes Mal kandidieren darf, ist insofern nicht sauber, weil er damit die Statuten der Waadtländer SP verletzt. Und dass er so wichtig ist und kompetent und schon deshalb im Rat bleiben muss: Das glaubt am meisten er selber. Schon deshalb versteht man gut, dass viele in der Basis über seine Sonderbehandlung verärgert sind. Aber eine Sonderbehandlung ist immer noch sympathischer als eine Desavouierung.
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Analyse zur politischen Leistung – Wer so viel macht, darf so lange bleiben
Wie die Aargauer Nationalrätin Ruth Humbel von der eigenen Partei zum Abgang gedrängt wurde, ist schäbig. Beim Waadtländer Sozialdemokraten Roger Nordmann liegt der Fall etwas anders.