Handball-Nationalteam«Wir haben einen sehr guten Draht zueinander»
Andy Schmid, der dominierende Spieler, wird Nachfolger von Nationaltrainer Michael Suter – aber erst in 16 Monaten. Kann das funktionieren?

Der Vertrag des Nationaltrainers läuft aus und wird nicht verlängert. Der Nachfolger ist der Topspieler des Landes, der seine Karriere dann beendet hat. Alles normal also. Wäre da nicht dies: Der Wechsel wurde bereits 16 Monate vor besagtem Vertragsablauf verkündet.
Das birgt nicht unerhebliches Potenzial für interne Schwierigkeiten. Wer hat bis dahin das Sagen: der jetzige oder schon der künftige Trainer? Wie reagiert die Mannschaft? Auf wen hören die Spieler? Was geschieht bei Misserfolgen?
«Die Rollen werden klar verteilt sein.»
Jene zwei, die direkt involviert sind, erachten die Situation als lösbar. «Wie ich ihn kenne und wie ich mich kenne, wird es nicht heikel sein», sagte in einem TV-Interview Andy Schmid, der beste und erfolgreichste Handballer, den die Schweiz je hatte und der ab Sommer 2024 Nachfolger von Nationaltrainer Michael Suter wird. «Wir arbeiten seit sieben Jahren zusammen. Die Rollen werden klar verteilt sein. Wir wären blöd, wenn wir nicht versuchen würden, voneinander das Beste herauszuholen», lässt Schmid verlauten. Ähnlich tönt es von Suter: «Wir haben einen sehr guten Draht zueinander.» Suters klares Konzept beim Amtsantritt im Juni 2016 hatte Schmid zur definitiven Rückkehr ins Nationalteam bewogen.
Dass der jetzige und der künftige Nationaltrainer mit der Konstellation umgehen können, ist ihnen zuzutrauen. Ob es das Umfeld auch kann, bleibt abzuwarten. Beide sind vernünftige Leute, beide wollen Erfolg, beide sind «handballverrückt», wie Schmid erwähnt. «Unser Fokus liegt auf den nächsten Wochen. Daran ändert sich nichts», erklärt Suter, der Winkler, der seit Jahren mit seiner Familie in Dinhard lebt.
EM 2024 ein Muss
Das grosse gemeinsame Ziel ist die EM im Januar 2024 in Deutschland. Diesen Donnerstag in Schaffhausen und am Sonntag in Tatabanya treten sie gegen den WM-Viertelfinalisten Ungarn, den Gruppenfavoriten, an. Am 30. April findet in der Winterthurer Axa-Arena gegen Litauen das letzte Qualifikationsspiel statt. Um ganz sicher zu sein, müssen die Schweizer Litauen und Georgien hinter sich lassen. Bisher glückte je ein Sieg, die Rückspiele sind im April. Allenfalls reicht in der Vierergruppe auch ein 3. Rang. Diese EM-Qualifikation ist ein Muss.
«Wir werden etwas übergeben, das funktioniert.»
Ausser Frage sind die Fortschritte, die der Schweizer Handball mit Suter, der im Juni 2016 vom höchst erfolgreichen Trainer diverser Nachwuchsauswahlen zum Nationaltrainer aufstieg, gemacht hat: Teilnahme an der EM 2020 und WM 2021, aktuell auf Kurs Richtung EM 2024, zurück im Kreis der erweiterten Weltspitze, elf Schweizer in der Bundesliga. Und vor allem: Die Schweiz stieg dank ihrer Resultate vom vierten in den zweiten Lostopf auf. «Das sind ganz andere Voraussetzungen als noch 2016. Wir werden etwas übergeben, das funktioniert», betont Suter und schliesst seinen Staff mit ein. Pascal Jenny, der seit Januar 2022 Verbandspräsident ist und entscheidenden Einfluss auf den Trainerwechsel gehabt haben dürfte, nennt auf der Verbandshomepage die Ära Suter eine «Erfolgsstory».
Das neue Jobprofil
Jetzt allerdings sei die Zeit reif, den nächsten Schritt zu machen, heisst es. Schmid, der Ende Saison 2023/24 als Spieler zurücktritt, werde als Nationaltrainer gemäss Jenny zur «Identifikationsfigur» für den Schweizer Handball. Der jetzt 39-jährige Luzerner wird einen Vier-Jahres-Vertrag mit Fokus auf die Heim-EM 2028 antreten, er wird der erste Schweizer Nationaltrainer mit einem Vollzeitpensum. Das Jobprofil ist neu. Neben der Teamführung soll der Nationaltrainer strategisch im Verband sowie mit Vereinen und Liga arbeiten. Und er soll das Gesicht, der Botschafter des Schweizer Handballs sein, auch für Wirtschaftskreise. Das ist perfekt auf Schmid zugeschnitten, weniger auf Suter.
Der Wechsel habe sich für ihn abgezeichnet, meint Suter, ehemaliger Rechtsaussen von Pfadi Winterthur und Olympia-Handballer 1996. Es sei für ihn kein Thema gewesen, jetzt die Segel zu streichen und vor Vertragsablauf zurückzutreten. «Dazu liegt mir die Mannschaft und der Schweizer Handball zu fest am Herzen.» Es ist herauszuhören, dass er grundsätzlich gerne als Nationaltrainer weitergemacht hätte. Andererseits: «Der Job ist ein anderer geworden.»
Der Mann für die Halle
Das Nationalteam hat nur noch vier statt wie früher sieben gemeinsame Trainingstermine. Michael Suter aber ist der Mann für die Halle. «Ich möchte etwas aufbauen.» Das war ab 2008 mit den Schweizer Nachwuchsteams so und ist es seit 2016 mit der Nationalmannschaft. Zudem startete Suter 2011 mit der Handball Academy in Schaffhausen. Nach wie vor leitet er sie und steht sechs Mal wöchentlich, manchmal frühmorgens, mit den Talenten in der Halle. «Das machen nicht alle Nationaltrainer», sagt er lächelnd.
«Diese Aufbauarbeit hat es gebraucht», betont Suter. Ohne sie wäre der Schweizer Männerhandball nicht da, wo er jetzt ist. Und es wird sie weiterhin brauchen. «Das Ausland schläft nicht.» Die internationale Entwicklung, zuletzt in Holland und Belgien, zieht an, die Konkurrenz wird grösser. «Wir müssen an der Basis die Weichen stellen», sagt Suter. «Ich würde mithelfen, in welcher Form auch immer.» In der Schaffhauser Academy – oder auch im Schweizer Verband in anderer Funktion. Es hätten bereits Gespräche stattgefunden über Suters Zukunft nach Sommer 2024 ausserhalb des A-Nationalteams. Er könne, auch nach der jüngsten Entwicklung, «meine Person rausnehmen». Denn ihn interessiert nur eines: «Dass es im Schweizer Handball weitergeht.»
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