Union in GefahrWird Grossbritannien zu Kleinengland?
In Nordirland gewinnt die Partei die Mehrheit, die eine Wiedervereinigung mit Irland anstrebt. In Schottland wächst die Unabhängigkeitsbewegung und auch in Wales nimmt der Wunsch nach Eigenständigkeit zu.

Die Wahlergebnisse waren erst wenige Stunden bekannt, da legte die schottische Regierungschefin schon den Finger in die Wunde. «Es wächst das Gefühl, dass das Vereinigte Königreich in seinem derzeitigen Zustand die Bedürfnisse von Schottland, Wales, Nordirland oder vielleicht sogar England nicht angemessen erfüllt», sagte Nicola Sturgeon.
Dass die Galionsfigur der schottischen Unabhängigkeitsbewegung sich die Spitze nicht verkneifen konnte, liegt auf der Hand. Doch tatsächlich folgen die jüngsten Abstimmungen im Vereinigten Königreich der Tendenz, dass sich immer mehr Menschen von London abwenden. Wird Grossbritannien zu Kleinengland?
Beispiel Nordirland
Der kleinste Landesteil erlebte bei der Wahl zum Regionalparlament Historisches. Erstmals stellt mit Sinn Fein eine Partei die meisten Abgeordneten, deren erklärtes Ziel die Wiedervereinigung mit dem EU-Mitglied Republik Irland ist.


Und was ist mit Wales?
Bleibt Wales. Im Gegensatz zu Nordirland und Schottland stimmte hier eine Mehrheit 2016 für den Brexit. Doch die Umsetzung hat viele abgeschreckt. Unterstützten 2014 nur 5 Prozent eine Unabhängigkeit, sind es derzeit bis zu 30 Prozent. Bei den Kommunalwahlen zählten die Grünen, die für die Unabhängigkeit eintreten, zu den Gewinnern. Immer mehr Menschen identifizieren sich zudem als Waliser, wie der Politologe Richard Wyn Jones herausgefunden hat. Ihre Zahl stieg seit dem Brexit-Votum von 24 auf 30 Prozent. Die Zahl derer, die sich als Briten und Waliser sehen, sank indes von 27 auf 19 Prozent.

Es sei deutlich geworden, dass der Brexit ein nationales Projekt sei, um ein bestimmtes Verständnis der Vergangenheit einer Nation sowie einer möglichen Zukunft zu verankern und voranzutreiben, schrieb Jones. Sprich: Der Brexit ist vor allem eine englische Angelegenheit.
Es droht ein Domino-Effekt
Doch reicht das, um das Vereinigte Königreich tatsächlich mittelfristig zu zerreissen? Die politischen Bedingungen in Nordirland sind eine Hürde für ein Grenzreferendum. Viele Schotten haben Angst, die Unabhängigkeit werde zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen. In Wales schliesslich regiert ungefährdet die pro-britische Labour-Partei, die es geschafft hat, Nationalismus und Unionismus miteinander zu verbinden.
Doch Tendenzen sind zu erkennen. «Die Wahlen vergangene Woche waren ein weiterer Schritt auf einem Weg, den wir bereits gegangen sind», kommentierte die Nachrichtenseite «Open Democracy». Zwar sei es nicht unvermeidlich, dass die Menschen in Wales, Schottland und Nordirland ihn wirklich weiter beschreiten. «Aber Johnsons Regierung unternimmt nichts, um uns zu einer Umkehr zu ermutigen.» Dem Premier droht ein Domino-Spiel: Fällt ein Stein, könnten alle fallen.
SDA/step
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